Bei Voys machen wir es anders als die meisten Unternehmen: Wir arbeiten selbstgesteuert und es gibt keinen Manager. Möchtest du mehr Info zu unserer Geschäftstelefonie? Sieh dich um.
Holacracy: ein selbstgesteuertes Organisationsmodell, mit dem wir seit 2015 arbeiten Wenn es keinen Chef gibt, wer ist dann Entscheidungsträger? Mark, Inhaber von Voys, teilt eine Story über Führung und Management in einer selbstgesteuerten Organisation.
„Management? Davon verabschiedet man sich in einer selbstgesteuerten Organisation doch?“
Nach 8 Jahren der Selbststeuerung – 6 davon mit Holacracy und einem Team von 120 Personen in 4 Ländern – traue ich es mir durchaus zu, etwas zum Thema Unternehmensführung zu schreiben. Wie sieht es mit dem Management und der Führung in selbstgesteuerten Organisationen aus? Das ist – neben Gehalt und Vergütung – wahrscheinlich die am häufigsten gestellte Frage. Wenn ich auf einer Bühne stehe und nicht viel Zeit habe, kläre ich die Frage normalerweise mit einem Zitat.
„Eine Führungskraft wird gebeten, sich einzumischen. Manager mischen sich ein – ungefragt und unerwünscht.“
Das ist ein hübscher Oneliner, mit dem man eine Diskussion beenden kann. Die Wahrheit liegt natürlich wie immer irgendwo in der Mitte. Wer glaubt, dass eine selbstgesteuerte Organisation keine Führung oder kein Management benötigt, irrt sich. Das Gegenteil ist richtig. Selbststeuerung ist mit einer erheblichen Menge an Führung verbunden. Sie ist nur nicht auf einige wenige Personen zentralisiert. Führung findet in jedem Einzelnen und in der gesamten Organisation statt.
Um dies zu erklären, sollten wir kurz in die Gruppentheorie eintauchen. Ich höre regelmäßig: „Ja, Holacracy, das hat bei uns nicht funktioniert.“ Danach stellt sich heraus, dass es sich um ein Experiment mit einem Team von 25 Personen handelte, oft sogar noch weniger. Ich finde, dass Holacracy dafür nicht geeignet ist.
Selbststeuerung bedeutet für mich, dass jeder Mitarbeiter:
In einer Organisation mit bis zu 25 Mitarbeitern kennt man sich gut genug und die Verbindungen sind stark genug, um die Dinge richtig zu machen. Ein guter Gründer gibt den Mitarbeitern genug Raum, um ihr Ding zu machen. Deine Aufgabe ist es dann, das Unternehmen „dienend zu führen“. Transparenz, klare Kommunikation und kurze Wege reichen aus, um uns auf dem richtigen Weg zu halten.
Wenn eine Organisation größer wird, werden andere Aspekte wichtiger. Dann weiß man nämlich nicht mehr so genau, wer in der Organisation was macht und wer für was verantwortlich ist. Die gemeinsame Rücksprache findet nicht mehr am Mittagstisch statt, und der Zweck der entstehenden Teams wird spezifischer.
Für Organisationen mit über 20/25 Personen wird Holacracy als Managementsystem relevant. Holacracy arbeitet mit Teams/Zellen/Kreisen Ein Kreis hat eine Existenzberechtigung: einen Purpose. Da Holacracy eine feste Meetingstruktur für die Besprechung der Arbeit und die Änderung der Organisationsstruktur hat, bekommt jeder Kreis eine Reihe von festen Rollen: einen Sekretär und einen Gesprächsleiter. Darüber hinaus gibt es die Rolle des Lead Link, auf die wir gleich noch näher eingehen werden.
Der Kreis füllt sich mit Rollen, die von den Mitgliedern des Kreises selbst geschaffen werden. Eine Rolle hat eine Existenzberechtigung (Purpose) und Verantwortungsbereiche (Accountabilities). Der Lead Link weist der Person eine Rolle zu, die am besten zu ihr passt. Auf diese Weise füllt sich der Kreis. Da Rollen sich ändern, wegfallen oder hinzukommen können, befindet sich der Kreis in einem ständigen Zustand der gewünschten Reorganisation.
Wenn ein Unternehmen auf Holacracy umsteigt, werden die Senior Manager meistens die Lead Links. Ein Lead Link hat einige feststehende Verantwortungsbereiche (Accountabilities). Er ist in seiner Rolle verantwortlich für:
Senior Manager, die Lead Link werden, reagieren meist wie folgt:
Beide Reaktionen sind meiner Meinung nach problematisch. Wie sieht die neue Führungsmethode in Wirklichkeit aus? Schauen wir uns die Verantwortungsbereiche des Lead Links an.
Jede Rolle darf zu jedem beliebigen Zeitpunkt Änderungen an der Struktur oder dem Purpose des Kreises vornehmen. Der Lead Link ist dafür verantwortlich, dass der Purpose des Kreises stimmig ist. Außerdem überwacht er die Struktur, die dafür sorgt, dass der Purpose möglichst gut ausgeführt wird. Wenn der Purpose gut genug ist, gehen daraus kleine und größere Arbeitsteile hervor. Große Arbeitsteile können Sub-Kreise werden. Kleinere Arbeitsteile werden zu Rollen.
Als Lead Link entscheidest du, welcher Mitarbeiter welche Rolle übernimmt. Du sorgst dafür, dass es stimmig ist. Mit anderen Worten: dass die Rolle auch wirklich zu der entsprechenden Person passt.
Der Lead Link muss stets kritisch begutachten, ob eine Rolle noch zur Person passt, die sie ausführt. Es ist wichtig, mit mehreren Mitarbeitern für eine bestimmte Rolle zu experimentieren. Natürlich gibt es eine Wechselwirkung zwischen dem, was den Leuten Spaß macht und ihren Stärken. Oftmals wird eine Rolle, an der Bedarf besteht, von der Person ins Leben gerufen, die an dieser Arbeit auch wirklich Interesse hat. Das Gegenteil kommt jedoch auch vor: Jemand ist für gewisse Teile einer Rolle nicht geeignet. Diese Person denkt sich eine neue Rolle aus, weil sie die Arbeiten nicht mehr ausführen möchte.
Ein Rollen-Marktplatz kann dann sehr hilfreich sein. Dort werden neue Rollen aufgelistet. Die Mitarbeiter können angeben, dass sie die Arbeit übernehmen möchten. Der Lead Link hat dann die Aufgabe, zu entscheiden, ob der jeweilige Kandidat wirklich für die Rolle geeignet ist.
Der Lead Link ist für die Strategie verantwortlich. Diese Rolle ist jedoch nicht diejenige, die die ausführenden Arbeiten übernimmt und oft nicht einmal diejenige, die die Strategie entwickelt. Der Lead Link ist dafür verantwortlich, dass es eine Strategie gibt und dass die Struktur des Kreises diese Strategie bestmöglich umsetzen kann. Daher ist der Lead Link dafür verantwortlich, den richtigen Personen die richtigen Rollen zuzuweisen.
Bei Voys haben wir in den vergangenen Jahren an einem Format gearbeitet, mit dem wir die Strategie gemeinsam als ganzen Kreis definieren. Es ist wichtig sicherzustellen, dass die Strategie verändert werden kann und klar ist: kommuniziere sie oft und viel. Die Welt verändert sich, dein Umfeld verändert sich, deine Arbeit verändert sich und damit auch deine Strategie.
Der Lead Link ist für die Prioritäten eines Kreises verantwortlich. Das ist ein ausgesprochen spannender Verantwortungsbereich. Eine Rolle darf sich nämlich nicht an den Lead Link wenden und fragen, welche Prioritäten zu der Rolle gehören. Auch wenn zwei Rollen einen Interessenskonflikt haben, der mit der Feststellung der Prioritäten beigelegt werden kann, dürfen sie sich nicht an den Lead Link wenden. Die Führungsrolle kann selbst aktiv steuern, um den Rollen mehr Priorität zu geben. Es ist nicht erlaubt, den Rollen vorzuschreiben, was sie zu tun haben und wie sie es tun müssen. Die Festlegung von Prioritäten ist somit ein Verantwortungsbereich, mit dem man sparsam umgehen sollte. Mit Klarheit, Transparenz, Kommunikation und einer guten Strategie, die Prioritäten setzt, können die Rollen in einem Kreis ihre Arbeit ohne Einmischung des Lead Links priorisieren.
Hat ein Kreis ein Budget? Dann ist der Lead Link innerhalb von Holacracy dafür verantwortlich, dieses Budget unter den Aktivitäten zu verteilen. Bei Voys haben wir uns für eine andere Form entschieden. In diesem Bereich kann ich darum kaum Tipps geben.
Zum guten Schluss: die Metrics Wenn Holacracy funktioniert, siehst du, wie eine kontinuierliche Schleife entsteht: Bauen, Messen, Lernen. Das zeigt sich nicht nur im Inhalt der Arbeit, sondern sogar in der Struktur der Organisation, im Kreis und in den Rollen. Die Messung ist ein äußerst wichtiger und oft vergessener Teil der Umsetzung von Veränderungen. Was funktioniert und warum? Metrics helfen, diese Fragen zu beantworten. Metrics sind genauso spannend wie die Festlegung der Prioritäten.
Ein Lead Link darf die Metrics zwar aufstellen, aber keine Ziele formulieren. Die Messbarkeit einer Sache hat nicht direkt etwas mit ihrer Bedeutung zu tun. Und wichtige Aspekte wiederum kann man nicht immer messen.
Metrics müssen angeben, ob sich der Purpose auf dem Weg zur Umsetzung befindet. Sie geben Aufschluss über die Gesundheit einer Organisation und bieten Daten, die beim Treffen der richtigen Entscheidung helfen. Metrics können der Anlass für die Durchführung (weitreichender) Veränderungen sein. Sie sind jedoch auf keinen Fall eine Keule, die man unbedingt schwingen sollte.
In vielen Fällen werden Metrics einer Rolle zugeordnet. Bist du für eine Metric verantwortlich? Dann solltest du dich auskennen und den Inhalt der Metric erläutern – nicht die statischen Zahlen.
Der Lead Link ist für die Metrics verantwortlich. Jedoch kann jede Rolle sie unter der Bedingung erstellen, dass sie zum Purpose passen. Wenn du über eigene Metrics verfügst, heißt das noch lange nicht, dass du sie in einem Meeting mit anderen teilen musst. Ein Dashboard mit deutlicher Echtzeitübersicht kann auch prima sein.
Manchmal kann man etwas auch nicht messen. Dann gibt es auch keine Metrics. Wir haben bei Voys ganze Kreise ohne Metrics. Und es gibt Kreise mit über 10 Metrics, die regelmäßig besprochen werden.
Neben den Metrics sagen auch der Team- und Projektfortschritt viel über die Leistung eines Kreises und die Umsetzung des Purpose aus. Wenn man auch das als Metrics betrachtet, dann hat jeder Kreis mehr als genug davon.
Jetzt weißt du, welche Verantwortungsbereiche ein Lead Link hat. Das sieht auf den ersten Blick nach viel Arbeit aus. Letztendlich nimmt diese Aufgabe aber nur 10 % der Arbeitswoche in Anspruch. Andere Rollen nehmen die verbleibenden 90 % der Zeit in Anspruch. Das sind die Rollen, die jeder Kollege normalerweise hat: Ausführung der Arbeit sowie Festlegung und Erläuterung der Arbeitsweise. Das legen sie selbst fest. Sie sind in diesem Bereich auch die Entscheidungsträger. Darin ist die Führung verankert. Jeder ist nämlich Chef der eigenen Rolle und damit verbundenen Arbeit.
Führung ist somit innerhalb der jeweiligen Rollen eine Angelegenheit von allen.